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Aus der Geschichte
Seidenanbau

Die erste Anregung zum Seidenbau in Preußen gab Friedrich 1., der erste preußische König. Aber bei seinem Tode 1713 war das Werk fast vergessen. Sein Sohn Friedrich Wilhelm der 1. nahm diesen Plan mit großem Eifer wieder auf. Schon 1714 und auch 1716 ordnete er an, Maulbeerbäume an Gräben und Wegen und Triften zu pflanzen. Diesem Befehl scheint man aber im Herzogtum Magdeburg wenig Beachtung geschenkt zu haben. Im Jahre 1732 mußte jedenfalls die Magdeburger Kammer berichten:

Seide wird im hiesigen Herzogtume noch zur Zeit gar nicht oder doch sehr wenig gewonnen, sondern alle von ausärtigen Landen eingebracht. Jedoch ist damit nunmehr ein Anfang gemachet worden. Erst Friedrich der 2. führte eine planvolle Zucht ein. Er liess an seine Kriegs- und Domänen-Räte im Lande Maulbeersamen verteilen, die ihn weitergeben sollten. In Halle war es der Kriegsrat und Stadtpräsident Schäffer, der 8 Lot Samen erhielt.

Den verteilte er an die Städte Glaucha und Neumarkt vor Halle, Wettin und Löbejün. Außer Löbejün, wo einige 20 aufgegangen waren, meldeten alle, dass trotz vielen aufgewendenten Fleiß nichts aufgegangen. Nur Schäffer selbst hatte in seinem Garten Erfolg. Diese Bäumchen schenkte er später den Franckeschen Stiftungen, und die bildeten den Grundstock der Plantagen.

1744 verfügte Friedrich der Große, dass die Waisenhäuser verpflichtet seien, Seidenraupenzucht zu treiben. Der Direktor der Franckeschen Stiftungen fragte bei einem der Maulbeerbäume schon gesehen hatte an, wo sie auf seinem Besitze angelegt werden könnten. Dieser Sachverständige, der Gärtner des Waisenhauses, erklärte für Kanena “den Küchengarten hinter der neuen Scheune, wo man den Kümmel gesteckt “ für geeignet.

Dem Aufbau der Pflanzung traten viele Hindernisse entgegen, besondersweil niemand Erfahrung im Anbau hatte. Aus 120 Körnern gingen 26 Pflanzen auf. Schäffer stiftete 5 1/2 Schock junge Bäume, 4 Schock wurden eingetauscht gegen Kirschbäume. Nach vieler Mühe erhielt man 2 Pfund Samen aus Venedig, von dem nichts aufging. Ein aus Venedig kommender Kandidat der Theologie brachte getrocknete Beeren mit, die 1745 gesät wurden. Im Mai des gleichen Jahres erhielt man nach vieler Mühe und unter großen Kosten 1 Schock Bäume aus Italien. Aus Berlin schickte man nochmals Samen. Mit den im Saatbeete stehenden Pflanzen besaß man 1745 schon 15000 Bäume.

In diesem Jahr begann auch die Raupenzucht. Das Ergebnis: 7 Pfund 8 Lot gute Kokonseide, Florettseide. Die Kokons wurden nach Berlin gesandt zur Abhaspelung. Für die gute Seide wurden 5 Rthl. 5 Gr. gezahlt. Im nächsten Jahre erntete man 4 1/4 Pfund Seide. Zur Abhaspelung verschrieb man sich von Berlin eine Französin. Auch in den nächsten Jahren verrichtete ein Franzose aus Berlin diese Arbeit. 1747 besaß das Waisenhaus 32164 Bäume, 1748 schon 45880 Stück. Das war die Höchstzahl.

1750 wurde die Ernte von 52 Pfund Seide an die halleschen Fabrikanten Villenauf und Bernhard für 375 Rthl. 20 Gr. 7 Pf. verkauft. In diesem Jahr wurde mit der Anpflanzung in Kanena begonnen. 7 Schock alte Bäume wurden gesetzt und 4 Morgen zur Anpflanzung vorbereitet. 1751 standen schon bei uns 3220 Bäume. Der Höchststand wurde mit 7055 Bäumen im Jahr 1756 erreicht.

Sie verteilten sich auf die Plantage, den Küchengarten, den Baumgarten, den Anger vor dem Gute und der Lehde. Einige Maulbeerbäume standen auch an der Reide und 4 Stück auf dem Hofe. Die Ergebnisse der Zucht waren ganz verschieden. In schlechten Jahren wurden kaum 40 Pfund Seide geerntet, in guten Jahren bis 190 Pfund. Einmal starben die meisten Raupen, weil der Frost die jungen Triebe vernichtete, ein andermal regnete es viel, so dass die Blätter nicht zart genug waren. Hagel zerstörte mehrmals die jungen Anpflanzungen.

Nach den schlechten Ernten von 1751 und 52 schrieb der König an die Stiftungen: “ Ich glaube aber, dass man dorten solchen Bau noch nicht recht verstehet, noch ihn völlig zu tractieren weiß, sonsten es gewiss damit so gut wie in hiesigen Orthen gehen müßte.”

Die erste Ernte in Kanena lieferte im Jahre 1752 reichlich 1 1/2 Pfund Kokons. Im Durchschnitt erntete man in den Stiftungen ungefähr das 2 1/2 fache von Kanena. Die Pflanzungen der Stiftungen gaben auch Bäume ab an die Kirchhöfe im Saalkreise, in mansfeld und Magdeburg und hatten dadurch großen Anteil an der Ausbreitung der Seidenzucht. Auch auf unserem Friedhofe wurden solche Bäume angepflanzt. So setzte man laut Kirchenrechnung 1751 eine Mandel Bäume 1756 14 Stück, 1798 10 Stück und 1798 17 Stück. Auch die Gemeinde muß eine Anpflanzung besessen haben. Im Separations-Rezess wird ein Flurteil Maulbeerkabeln genannt.

1783 kaufte das Waisenhaus laub von den Gottesäckern in Glaucha, Dieskau und Reideburg, von den Gemeinden Dieskau, Radewell, Osendorf und Kanena. Der Seidenbau, die Fütterung und Betreuung der Raupen wurde im Waisenhaus von einigen Frauen unter Mithilfe von “Waisen-Mägdlein” getrieben. In Kanena hatte man es mit einer “ Mannsperson “ und mit einigen Knaben versucht, aber dabei nur Schaden gehabt.1772 stellte das Waisenhaus einen “ Seidenzieher “ an, dessen Frau leitete 6 jahre lang die Plantage in Kanena.

Nach 1770 aber ging die Zucht immer mehr zurück. Während 1773 noch 3669 Bäume standen, waren es 1779 nur noch 2985, 1783 noch 2079 und 1788 nur 1602 Stück. In den Stiftungen und in Kanena  sank die Gesamtzahl bis 1804 auf 3128 Bäume. In diesem Jahr bat das Direktorium um Befreiung von der Verpflichtung zum Seidenbau, da der Boden sich nicht mehr für Maulbeerbäume eigne. 1805 wurde die Zucht ganz und gar eingestellt und dafür Obstbau getrieben.

So war dieser Erwerbszweig nach 60-jähriger Betreibung ganz verschwunden.

Geerntet werden nur die jungen zarten Blätter des Maulbeerbaumes.

Die Raupen sind gefräßig, kommt kein Nachschub, sterben sie in kürzester Zeit ab.

Nach einer Zeit des Blattfressens, verpuppt sich die Raupe des Seidenspinners.

Die Kokons müssen jetzt nur noch abgewickelt werden, man nennt diesen Vorgang auch Abhaspeln.